Vier Wochen Urlaub - so lange das anfangs auch erschienen mag - neigen sich dem Ende zu. Die Nächte sind eindeutig schon kühl, der Sommer hat dem Herbst Platz gemacht. Wie schöne wäre es da, zum Abschluss noch etwas Sonne zu spüren und aufs Meer hinausschauen zu können.
Also rasch ein Bahnkarten besorgt und ein Hotel gebucht. Von Wien gibt es komfortabel Direktverbindungen nach Venedig, mit einem Umstieg in Udine komme ich aber auch problemlos nach Triest. Fast hätte mir eine fiebrige Erkältung einen Strich durch die Planung gemacht, glücklicherweise haben die Viren (und nicht ich) bei der Sommerhitze im Norden Italiens rasch schlapp gemacht und es waren sehr erfreuliche Tage. Früh am Morgen ging es also los, und noch zur Mittagszeit konnte ich Triest erkunden, ich habe die Stadt ja in sehr schöner Erinnerung und allzu groß ist der für Besucher interessante Bereich auch nicht.
Es sind nur wneige Schritte vom Bahnhof zum Hafen und zum Canal Grande, der so typisch für die Schönheit dieser Stadt ist. Der Canal wurde noch unter der Regentschaft von Kaiserin Maria Theresia angelegt, Triest gehörte schon damals zu den wichtigen Handelshäfen der Habsburgermonarchie und gewann später mit dem Anschluss an die Südbahn nochmals an Bedeutung. Es ist diese Mischung aus mediterranem Flair und Bauten der imperialen Epoche, die Triest so wunderbar machen.
Ich habe ja Urlaub, ein bisschen was will ich mir natürlich ansehen, aber wichtig ist es auch, bei einem Drink einfach die Seele baumeln zu lassen, entspannt das geschäftige Treiben in der Umgebung zu verfolgen oder einfach vor mich hin zu träumen. Mag ich.
Als wichtiger Hafen im Vielvölkergemisch der Monarchie kamen natürlich auch Seeleute aus allen Teilen Europas nach Triest. Als Abschluss des Canal Grande, der früher auch für größere Handelsschiffe befahrbar war, entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die größte der triestiner Kirchen, das katholische Gotteshaus Sant’Antonio Taumaturgo , dem Antonius von Padua geweiht mit seiner klassizistischen Kuppel.
Fast zu rgleichen Zeit erbaute fast daneben auch die serbisch-orthodoxe Kirchengemeinde ihren Versammlungsort, die Kirche der Dreifaltigkeit und des Hl. Spyridon (San Spiridone).
Und auch die griechischen Seefahrer und Händler hatten ihre Kirche, an der Hafenfront entstand die griechisch-orthodoxe Kirche San Nicolò dei Greci schon im 18. Jahrhundert.
Auch heute noch ist Triest als Hafenstadt von Bedeutung, der Hafen vor dem Stadtzentrum ist aber nur für Spaziergänger und kleiner Yachten genutzt. Wie schön, dorthinaus zu spazieren und den vom Meer kommenden warmen Wind mit seinem salzigen Duft zu spüren.
Irgendwo hier befand sich auch die Aussenstelle des K.u.k. Militärgeographischen Instituts, an dem bis 1875 der Pegel der Adria vermessen wurde und von dem sich alle österreichischen Höhenangaben ableiten. Es gibt in Europa keine einheitliche Höhe über dem Meeresspiegel, deutsche Angaben liegen beispielsweise mehr als 30 cm über den österreichischen, Preußen verwendete den Amsterdamer Nullpegel. Gibt es diese Messstelle in Triest noch, ich konnte sie nicht finden?
Der so prächtige Hauptplatz, die Piazza Unitá, war leider wegen eines Stadtfestes mit Hütten und Zelten vollgerammelt und wurde besser gemieden, so ging ich doch durch die Altstadt den Hügel hinauf. Zwei Kirchen befinden sich dort gleich am Anstieg. Die romanische San Silvestro stammt aus dem 11. Jahrhundert und gehört zu den ältesten Kirchen der Stadt, gleich daneben erbauten die Jesuiten im 17. Jahhundert die größere Santa Maria Maggiore im Barockstil.
Hier am Hügel begann auch die Entwicklung von Triest. Bereits in vorrömischer Zeit bestand eine illyrische Siedlung. In der römischen Epoche stand Tergestum im Schatten das bedeutenderen nahen Aquileia, wurde jedoch auch mit Mauern befestigt und erhielt Tempel und ein Theater. Das Theater am Fuss des Hügels befand sich vor den Stadtmauern und lag viel näher am Meer bzw. am römischen Hafen. In der Straße oberhalb des Theaters wurden über archäöologischen Grabungen zwei kleine Museen eingerichtet. Im Antiquarium di via del Seminaro sind die Reste der römischen Stadtmauer zu sehen, die auch später zur Terrassierung des Hanges bestehen blieb. Das Antiquarium di via Donota schützt die Reste einer römischen Villa, die unterhalb an die Stadtmauer angebaut war und dessen Innenhof (Atrium) später als Friedhof (Kinder wurden in Tonamphoren bestattet) verwendet wurde.
Auf der Terasse des Hügels befand sich das Herz der antiken Siedlung, die Reste einer römischen Baslilika sind zu sehen. Daneben befindet sich die Kathedrale des Hl. Justus mit einer sehr interessanten Entstehungsgeschichte.
In einer Seitenkapelle wird als Reliquie auch die Spitze der Hellebarde des Hl. Sergios aufbewahrt, die auch das Wappen von Triest schmückt.
Triest gelangte unter Freidrich III. 1382 zum Habsburgerreich und blieb Bestandteil bis 1918. zum ausdruck dieses Machtanspruchs wurde am Hügel oberhalb der Kathedrale eine große Festung angelegt, die oftmals erweitert und umgebaut wurde. Als Burg ist das Castello di San Giusto wenig spannend, aber dafür hat man einen prächtigen Ausblick auf Stadt, Hafen und Meer.
Kathedrale und Küste bis Miramare:
Stadt (mit dem Großwohnbau Rozzol Melara) und Hafen:
In den ehemaligen Kommandantengebäuden wurde ein Museum eingerichtet, dass vorwiegend Waffen aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit gezeigt.
Tief steigt man in die Kasematten hinab, wo steinerne Funde wie Figuren und Grabsteine aus Triest und der Umgebung ausgestellt sind. Einge hübsche Stücke, und allein schon die Räume sind toll.
Ich war in diesen Ferien in Montenegro und auf Sizilien am Meer und habe nie einen stimmungsvollen Sonnenuntergang zu Gesicht bekommen, dabei freue ich mich über dieses zauberhafte Schauspiel. Endlich, in Triest hat die Natur mir nun doch dieses Spektakel gegönnt! Danach noch etwas die Magie der Blauen Stunde fotografiert und dann nur noch den kulinarischen Genüssen gewidmet. Wie schön ist doch Urlaub am Meer.
Westlich von Triest liegen zwei wundervolle Schlösser über dem Meer. Miramare hat mir schon mehrfach gefallen, vom anderen hatte ich bisher nur gelesen. Die Bahn brachte mich (fast) hin. Die Hochgeschwindigkeitszüge ICE und TGV kennt man, weniger bekannt sind die italienischen Frecciarossa, die ebenfalls mit bis zu 300 km/h die großen Städte des Landes verbinden. Von Triest bis Monfalcone (bekannt wegen der großen Werftanlagen von Fincantieri) ist es nur ein kleines Stück und zurück bis Sistiana jedenfalls keine Hochgeschwindigkeitsstrecke, aber dort wollte ich hin.
Eine halbe Stunde ging ich von dort bis zum Besucherzentrum am Meer, wo der Rilkeweg seinen Anfang nimmt. Nicht schwierig wandert man dort oberhalb der Klippen in noch einer halben Stunde dem Schloss Duino zu. Ich hatte mir das wunderschön vorgestellt, und es war auch mindestens so. Immer wieder tun sich fantastische Blicke über den Golf von Triest und das auf einer Felsnase thronende Schloss auf, einfach begeisternd.
Westlich des Schlosses kann man auch das Alte Castello besichtigen, die Ruinen der Burg aus dem 10. Jhdt. sind spärlich, aber nun hat man auch einen Blick auf das Schloss von der anderen Seite.
Das Schloss wurde im 16. Jahrhundert erbaut. Vom Turm bietet sich abermals ein traumhafter Ausblick, ebenso von den Balkonen, auf die man bei einem Rundgang durch die prächtigen Räumlichkeiten hinaustreten kann. Es ist in Privatbesitz und gehört einem Zweig der Familie Thurn und Taxis. Es war eine der Gräfinen, die im frühen 20. Jahrhundert gerne Musiker und Dichter als Gäste beherbergte. Bekannt wurde beispielsweise Rainer Maria Rilke, der seine Duineser Elegien hier begann. Ein ganz begeisternder Ort, für den man sich Zeit nehmen muss.
Die Planung hatte mit dem Rückmarsch zum Bahnhof bei Duino eigentlich nur einen Blitzbesuch vorgesehen, aber ein vor dem Schloss Duino wartendes Taxi eröffnete nun einen ganz anderen Zeithorizont. So war ich im Nu beim Schloss Miramare und hatte nun plötzlich viel Zeit für dieses stolze Bauwerk. Erbaut wurde es in den späten 1850er-Jahren für Erzherzog Ferdinand Maximilian von Österreich, der Bruder von Kaiser Franz Joseph I. Man kann sich ja kaum eine prächtigere Villa in noch hübscherer Lage vorstellen. Unverständliche Karrieregier veranlassten den Besitzer jedoch, sein Ende als Kaiser von Mexiko zu suchen.
Egal von welcher Seite man es auch betrachtet, es ist einfach ein geniales Schlösschen. Da ich Zeit genug hatte, bewunderte ich auch die Innenräume.
Der gestaltete Garten bietet schöne ansichten und auch ein Cafe, damit der Apperitiv an diesem Tag nicht ausfiel. Praktisch ist der Bahnhof am oberen Ende des Schlossparks.
Noch einmal ließ ich mich vom Zauber mitreißen, der aufkam, als der Abend über der nördlichen Adria herein brach. Nach einem gelungenen Tag dann das Tempo abzubremsen und still zu staunen und zu genießen, erfüllt mit tiefer Freude und Zufriedenheit, zumindest geht es mir so.
Wie üblich vergingen die Tage so rasch, vor der Heimfahrt wanderte ich noch etwas durch die Stadt, um die Schönheit aufzusaugen und die warme Seeluft zu schnuppern.
Etwas Wehmut begleitet mich schon, als es nachmittags dann zum Bahnhof ging und die Schatten der Berge im abendlichen Kanaltal lang wurden. Das war er also, mein langersehnter Urlaubsmonat, der Sommer 2018. Oh ja, es gibt wahrlich Schlimmeres, als auf so wundervolle Wochen zusammengesetzt aus tausenden Eindrücken gesammelt auf so schönen Reisen zurück blicken zu dürfen. Und doch sind es Glücksmomente, die in die Vergangenheit rücken, die genau so nicht wiederkehren.
Und doch bin ich dankbar, es ist nicht selbstverständlich, solche Freuden erleben zu dürfen.
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