Ich hatte bereits das Hotel für den Ausflug nach Tschechien gebucht (Schloss Hrádek u Nechanic und Königgrätz) und hätte gerne auch einige Tage mit Herbstsonne und Laubrascheln im Mährischen Karst noch als Abschluss meines langen Urlaubs angehängt, doch das Wetter spielte in unseren Breiten nicht so recht mit. Also doch noch einmal ab in den Süden, nach den schönen Wochen auf Sizilien vermisste ich die entspannte Atmosphäre und mediterranen Genüsse bereits. Ein Flug nach Pisa war recht günstig und somit ohne langes Abwägen rasch gebucht. Aus Königgrätz musste ich deshalb noch vor dem Frühstück abreisen um direkt zum Wiener Flughafen zu fahren, wo ich gerade rechtzeitig 35 Minuten vor Boardingbeginn eintraf. Doch anstatt gen Italien zu starten kündigte eine Durchsage an, dass wegen eines Streiks der Bodenabfertigung in Pisa der Flug verschoben werden müsse. Ein Blick auf die Ankünfte in Pisa offenbarte, dass bereits zahlreiche Ankünfte abgesagt worden sind. Bald wurde festgelegt, dass der Flug erst am nächsten Tag morgens durchgeführt werde. Nun, ärgerlich, aber die Fluglinie kann in diesem Fall auch nichts dafür, sondern Eurowings hat vorbildlich rasch informiert und Hotels für die gestrandeten Passagiere organisiert bzw. den in Wien Beheimateten Taxigutscheine für die Heimfahrt übergeben. So kam ich also früher als erwartet wieder zuhause an. Aber nicht darüber ärgern, was man sowieso nicht ändern kann.
Wenigstens hat es am Morgen dann ordentlich geschüttet, die Idee in die sonnige Toskana zu wollen, war also doch eine gute. Jetzt klappte es doch und vor Venedig war die Wolkendecke plötzlich verschwunden. Die Erfahrung vom Frühling (Tage in nach Lucca) kam mir jetzt zugute, mit dem PisaMover war ich vom Flughafen schnell am Bahnhof Pisa Centrale und von dort gab es eine gute Verbindung via Empoli nach Siena. Der Bahnhof liegt im Tal, auf den Hügel hoch zur Stadt kommt man vom Einkaufszentrum vis-a-vis des Bahnhofs mit einer Kaskade aus 12 Rolltreppen.
Siena - ich war nach vielen Jahren wieder da! In Gedanken war das jene Stadt in der Toskana, die mir, obwohl ja wirklich eine schwierige Wahl, am besten gefallen hatte. Und schon am Weg durch die engen Gassen der Altstadt mit den Steinhäusern beiderseits waren auch die Erinnerungen lebendig. Zielstrebig eilte ich dem Zentrum der Stadt zu, der Piazza del Campo. Und die Erinnerung hatte mich nicht betrogen, es ist ein großartiger Platz entstanden im 14. und 15. Jahrhundert. Ein erster Café begleitete das triumphale Gefühl, ein Wunder zu erleben. Wie eine Arena senkt sich der Platz zum Palazzo Pubblico mit dem beeindruckenden 100 m hohen Torre del Mangia ab. Rundherum diese stolzen alten Gebäude und der schöne Brunnen Fonte Gaia. Das Leben pulsiert und hält gleichzeitig inne, inmitten der tausenden Besucher kann man sich einfach auf die abfallenden roten Ziegel, die den Boden pflastern, legen und zusehen, wie die Wolken über den historischen Platz ziehen.
Ein weiteres Bauwerk, bei dem man aus dem Staunen nicht heraus kommt ist der Dom von Siena (Cattedrale di Santa Maria Assunta). Im 13. Jahrhundert wurde am höchsten Punkt der Stadt mit dem Bau einer romanischen Kirche begonnen, aus dieser Zeit stammt auch die sechseckige Kuppel. Seinen Glanz erhielt er jedoch im folgenden Jahrhundert, als man im Stil der Gotik das Hauptschiff erhöhte und die fasziniernde Fassade gestaltete.
Diese einzigartige Fassade lässt sich einfach nicht erfassen, zumindest nicht, wenn man in seiner Gesamtheit vor sich hat und von den unzähligen Details überwältigt ist. Man muss sein Gesichtsfeld einschränken und den Säulen, Bögen, Dreiecksgiebeln, Gesimsen, Reliefplatten und dem Figurenschmuck folgen, um die Kunstwerke zu erkennen, die sich in dieser Masse verbergen. Wie viele Stunden ist man beschäftigt, um diese Detailfülle aufzulösen?
Doch man war mit dem Dom nicht zufrieden und wollte noch größeres, die damals im 14. Jahrhundert größte Kirche der Welt wollte man errichten und begann mit dem Bau. Die Reste dieses Vorhabens sind seitlich des Doms zu sehen, über die abschließende Wand des Langhauses und die Säulen der Scheidewände kam man allerdings nicht hinaus, bis die Pest zwei Drittel der Stadtbevölkerung dahinraffte und die Ressourcen für den Weiterbau fehlten. Villeicht auch gut so, denn der bestehende Dom ist auch so reichlich sehenswert.
Das Hauptportal des Doms befindet sich am höchsten Punkt der Stadt, die Apsis ragt über den Hang hinaus und so konnte darunter Raum geschaffen werden. In dem ist die Taufkapelle untergebracht, das Battistero di San Giovanni. Diese Kapelle ist mit wundervollen Fresken geschmückt, das schöne Taufbecken stammt u.a. von Donatello.
Betritt man den Dom, so benötigt man erst einige Zeit, um im etwas düsteren Innenraum die schöne Ausgestaltung erfassen zu können. Charakteristisch in dunkelgrünem und weißem Marmor gestreift ragen Wände und Säulen auf, vor dem mit Fresken geschmückten Altarraum erhebt sich der Sternenhimmel der Kuppel.
Die meisten Seitenaltäre besitzen als größte Zierde ein zentrales Gemälde, im linken Seitenschiff fallen jedoch zwei besonders geschmückte Nischen auf. In weißem Marmor ausgeführt ist der Piccolomini-Altar. 1504 lieferte Michelangelo die bestellten Nischenfiguren der Hl. Petrus und Paulus sowie Gregor und Pius. Auftraggeber ware die adelige Familie Piccolomini, aus der auch die beiden Päpste Pius II. und Pius III. stammten. Letztgenannter ließ in der Piccolomini-Bibliothek in einem von Pinturicchio gestalteten atemberaurbenden Freskenzyklus seinen Weg vom Kardinal Enea Silvio Piccolomini zum Papst darstellen.
Seit wenigen Jahren kann man in einer Führung (Voranmeldung mit Terminangabe notwendig!) das Hauptschiff umrunden. Dabei kommt man in den Dachböden über den Seitenschiffen zur Kuppel, in deren Inneres man durch Fenster blicken kann und die nach aussen einen schönen Blick über die Stadt und die umliegende Landschaft gewährt. Vorbei (hinter den Engeln) in der Portalfassade gelangt man wieder über die Wendeltreppe im rechten Seitentürmchen wieder zum Beginn zurück.
Ein Ticket hatte ich auch für die Krypta, die erst in den 1990er-Jahren gefunden und freigelegt wurde, doch leider war die immer geschlossen (aus Solidarität mit den Flughafenarbeitern in Pisa?).
Für den kurzen Aufenthalt hatte ich eigentlich eh mehr besichtigt als vorgenommen. Es gehört einfach auch zu Italienurlauben und den warmen Temperaturen, die vielfältigen Gelegenheiten zu nutzen, Körper und Geist etwas Ruhe zu verschaffen und auch den Flüssigkeitshaushalt nicht aus dem Gleichgewicht kommen zu lassen. Die Gelegenheiten bei Kaffee und Orangensaft oder Wasser und Wein Halt zu machen ließ ich jedenfalls selten ungenutzt. Und auch das Restaurant unterhalb des Piazza del Campo fand ich wieder, das ich in guter Erinnerung behalten hatte und auch behalten werde.
Schon mehrmals war ich in Pisa, aber noch nie hatte ich dort genächtigt. Da der Rückflug aber zu früh angesetzt war, um von Siena anzureisen, hatte ich ein Hotel reserviert und auch Gelegenheit, mich etwas umzusehen. Vom Bahnhof kommend blieb ich am Ufer des Arno.
Der achteckige Zentralbau der Kiche Santo Sepolcro (Heiliges Grab) aus dem 12. Jahrhundert ist der Grabeskirche in Jerusalem nachempfunden. Neben der Bendiktinerkirche San Paolo a Ripa d'Arno findet sich eine kleine Kapelle auf oktogonalem Grundriss ebenfalls aus dem 12. Jahrhundert. Sie ist nicht zufällig der Hl. Agathe (Sant'Agata), der Schutzpatronin Siziliens geweiht, sie wurde anlässlich der Eroberung Siziliens durch den Normannenführer Roger I. von den Arabern errichtet (die 1004 Pisa geplündert hatten). Direkt am Arno liegt die wunderschöne kleine gotische Kirche Santa Maria della Spina.
Auc direkt am Arno liegt das Palazzo Blu, das als Museum zugänglich ist (https://palazzoblu.it/). In dem alten Gebäude sind teilweise noch die Raumgestaltung und Möblierung der adeligen Besitzer erhalten. Ergänzt wird die Sammlung mit Gemälden hauptsächlich der italienischen Malerei des 14. Jahrhunderts. Darunter finden sich auch Werke von Artemisia Gentileschi, einer der weingen anerkannten Malerinnen des italienischen Barocks.
Der wohl schönste Platz in der zentralen Altstadt ist die Piazza dei Cavalieri, benannt nach dem vom Großherzog der Toskana Cosimo I. de’ Medici gegründeten Ritterorden St. Stephan, der im prunkvollen Gebäude seinen Haupsitz hatte. Die den Platz umschließenden Ranissancegebäude stammen aus dem 16. Jahrhundert.
Natürlich darf man in Pisa den Platz der Wunder nicht auslassen. Trotz der Masse an Touristen hat das Ensemble aus Dom, Baptysterium und Schiefem Turm seinen Zauber. Diesmal hatte ich mir auch ein Ticket zum Aufstieg auf den Turm gesichert.
Besonders gut hat mir die Stimmung im Camposanto Monumentale gefallen, wo ich bis zur Sperrstunde blieb. Wenn die letzten vereinzelten Besucher durch den großartigen gotischen Arkadengang und die Abendsonne schräg durch die Spitzbögen auf die alten Monumente fällt, macht sich eine seltsame Ruhe breit.
Nach dem Genuss des Abendessens kehrte ich noch einmal zum Domplatz zurück, über den der Vollmond seinen Bogen lief. Angelehnt an eine noch warme Steinbank in der nächtlichen Ruhe war das ein Ort, der Gänsehaut verursachte, zu schön und fast mit irrealem Zauber erfüllt. Genau passend, um zu sinnieren, dass wieder ein Sommer im ausklingen ist, ich aber auch irrsing dankbar sein kann, so viel an Schönem erleben zu dürfen. Lange Stunden saß ich im Mondschein und konnte mich nicht losreißen, solche Momente erlebt man nur selten.
Die Stadt war gerade im Erwachen, als ich zum Bahnhof wanderte um von dort zum Flughafen zu gelangen. Der Schwenk des Flugzeugs über der Stadt erlaubte einen letzten Abschied von der Toskana und dem Sommer, schon beim Transfer in Köln-Bonn regnete es. Auch wenn ich diese warmen Tage und das gemütliche Dahinleben vermisse, es bleiben schöne Erinnerungen.