Gleich zu Beginn habe ich großes Glück, fährt die Fähre von Alexandroupolis an diesem Tag ausnahmsweise nachmittags, so dass ich noch am ersten Tag ans Ziel gelange, eine notwendige Nächtigung in Alxandroupolis hatt ich erwartet.
Das Schiff Nona Mary der Linie Saos Ferries wartet bereits im Hafen von Alexandroupolis. Doch noch sind drei Stunden bis zur Abfahrt, genug, um noch eine Stärkung einzunehmen.
So, jetzt wird es aber Ernst. Das Beladen des Schiffs hat begonnen. Zuerst dürfen die kleinen Autos rein, dann kommen die LKW mit ihren schweren Gütern. Alles was auf den Inseln benötigt wird, und dort nicht vor Ort vorhanden ist, muss mit Schiffen hinbefördert werden. Entsprechend wichtig ist die Stellung der Schifffahrt für die griechischen Infrastruktur.
Zufrieden bin ich auch mit dem Mietauto (der schwarze Seat Cordoba vorne), das dieses Jahr wieder autobahntauglich ist und ich so rasch von Kavala an Xanthi und Komotini vorbei nach Alex/polis kam.
Die schweren Lastwägen bringen vor allem Baumaterial und Lebensmittel an Bord. Aber auch die Privatpersonen reisen nicht ohne Gepäck. Ich finde es interessant, das Treiben im Hafen zu beoabachten. Es geht pünklich los. Schließlich gilt es ja, ein Ziel zu erreichen.
Ein Spektakel spielt sich im Fahrwasser des Schiffes ab: hunderte Möwen versuchen einen der aufgescheuchten Fische zu ergattern.
Es wird spannend: die “Insel meiner Träume” kommt näher. Ob sie hält, was die Bücher versprechen?
SAMOTHRAKI. Von Gipfel der Insel soll, so erzählt Homer, der Meeresgott Poseidon der Schlacht um Troja zugesehen haben. An klaren Tagen kann man von oben tatsächlich über die Dardanellen nach Kleinasien sehen.
Mein schönes Privatzimmer habe ich rasch im Hafenort Kamariotissa gefunden, dem heute größten Ort der Insel mit der notwendigen Infrastruktur zum Wohlfühlen, obwohl es ein doch recht überschaubares Dorf ist. Ich wohne am Ortsende direkt am Meer. Abends die Zimmertür offen zu lassen und mit Meeresrauschen einzuschlafen und aufzuwachen, wuerde ich gerne das ganze Jahr lang haben.
Die Sommerhitze ist schon vorbei, doch zum abendliche Ausgehen reicht noch kurzärmlige Bekleidung - gerade angenehm.
Wie überall auf der Insel ist der flache Küstenbereich recht schmal, bald erhebt sich dahinter das Saos-Gebirge.
Lebensader des Ortes ist natürlich der Hafen. Einmal am Tag kommt die Fähre von Alexandroupolis, an manchen Tagen gibt es auch Verbindungen zur südlichen Nachbarinsel Lemnos oder auf die doch schon weiter entfernte Inselgruppe der Sporaden.
Das Kabirenheiligtum mit seinem Mysterienkult zählte von der archaischen bis spät in die römische Zeit hinein zu den größten Heiligtümern auf griechischem Boden. Ursprünglich wurden die beiden Gottheiten Axiersos und Axiersa verehrt, die später mit Hermes und Demeter gleichgesetzt wurden.
Die heute sichtbaren Gebäudereste stammen vorwiegend aus dem 3. u. 4. Jhdt. v. Chr.
Bedeutende Gebäude wurden von Philipp II. und Ptolemäus II. gestiftet.
Das Gelände der daneben liegenden antiken Stadt Paläopolis ist leider nicht zugänglich.
Von der berühmten Nike ist nur ein Gipsabguss vorhanden (Original im Louvre). Sie wurde von der Insel Rhodos zum Dank für den errungenen Sieg in der Seeschlacht gegen Antiochos III. ca. 190 v.Chr. zusammen mit einer großen Brunnenanlage gestiftet.
Im Historismus des 19. Jhdts. gehörte sie zu den großen Vorbildern (die Viktoria am Brandenburger Tor in Berlin ist beispielsweise eine Nachbildung von ihr).
HINTERGRUNDINFORMATION |
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In den Jahren 1873 bis 1875 wurden vom Österreichischen Archäologischen Institut unter Leitung von Alexander Conze Grabungen in Palaiopolis und beim Kabirenheiligtum auf Samothraki durchgeführt. Die Ergebnisse dieser archäologischen Forschungen wurden in den beiden Büchern Archäologische Untersuchungen auf Samothrake (Band 1)und Archäologische Untersuchungen auf Samothrake (Band 2)veröffentlicht. Von der Expedition mitgebrachte Skulpuren (u.a. die Finger der Nike von Samothake) und Bauteile sind im Ephesus Museum in Wien (Neue Hofburg) ausgestellt. |
Da sich Samothraki am Eingang zu den Dardanellen (früher Hellespont) und damit am Seeweg nach Konstantinopel (Istanbul) befindet, war es von wichtiger strategischer Bedeutung. Im Hafen von Paleopolis warteten die Segelschiffe in byzantinischer Zeit auf einen günstigen Wind zur Durchfahrt durch die Meerenge. Die Genueser Familie Gattilusio wurden als Archonten (Statthalter) eingesetzt und bauten viele Befestigungsanlagen, u.a. in Chora und Paleopolis.
An der Mündung des Baches Fonias steht direkt am Meer dieser Wachturm aus dem 14. Jhdt.
Ich habe mich auch mit der Geschichte der Familie Gattillusio beschäftigt, eine selbsterstellte Zusammenfassung der Familiengeschichte für die Dauer der Inselherrschaft gibt es hier.
Obwohl die Insel sehr klein ist (nur 178 km2), ist sie sehr abwechslungsreich.
Während der Süden trockener und vorwiegend mit Olivenhainen bepflanzt ist, gibt es an der feuchteren Nordseite herrliche ausgedehnte Eichen- und Platanenwälder, die von vielen Bächen durchflossen werden. Zahlreiche Wasserfälle haben Becken (genannt Vathres) ausgewaschen, in denen man auch baden kann. Wie schön kann Wandern in so einer Umgebung sein.
Mehr als eine Wanderung ist der Versuch, auf den Gipfel der höchsten Erhebung der Insel zu gelangen. Neben den Bergen Kretas befindet sich hier im Saos Gebirge der höchste Berg der griechischen Inselwelt (ausgenommen Kreta). Geschafft! Nach 6 Std. (und dann noch 3 Std. runter) am Gipfel des Fengari, 1624 m über dem Meer.
Leider ist es ziemlich dunstig, so dass ich keine der Nachbarinseln Thasos, Limnos und Imbros (türk.) sehen kann. Die Gipfeljause war aber ehrlich verdient.
Amüsant fand ich die abendliche Unterhaltung mit den Balkonnachbarn. Die griechischen Urlauber wollten meinem Tagesbericht, ich sei heute auf dem Mond gewesen, nicht so recht Glauben schenken. Fengari bedeutet übersetzt Mond.
Viele Kirchen und Kapellen gibt es auf der Insel.
Mein absoluter Lieblingsplatz war das Kirchlein der Panagia Kremniotissa an der Südküste. Auf einer Felsnase hoch über dem Meer herrscht Ruhe. Unten ist der große Sandstrand von Pachia Ammos zu sehen. Rast beim Kirchlein und Genießen des Ausblicks.
Die religiösen Stätten werden liebevoll gepflegt und laden zu Einkehr und Andacht ein. Viele Ikonen, der Duft nach Weihrauch und Bienenwachskerzen geben diesen Orten eine seltsam mystische Atmosphäre, die ich sehr gerne habe.
Schöne Strände sind auf Samothraki rar. Dafür ist der große Strand von Pachia Ammos ein wahres Paradies. Im Hintergrund ist die türkische Insel Imbros erkennbar. Und noch einmal Pachia Ammos, diemal im weichen Abendlicht, gerade als die Sonne hinter den westlichen Begen verschwunden ist. Verlässt man um diese Zeit den schönsten Strand der Insel, so kommt man in Kamariotissa immer noch rechtzeitig vor dem dortigen Sonnenuntergang an.
Rauher als der Sandstrand, aber ebenfalls sehr eindrucksvoll ist der laaange Kiesstrand am Kap Kypos. Der weitere Küstenabschnitt ist wegen der Berge unzugänglich. Und auch wenn das Wetter mal nicht so schön war, Steinewerfen bei Nieselregen macht auch Spass. Der Strand ist tatsächlich kilometerlang. Genug, um (zumindest im September) einige hundert Meter für sich reklamieren zu können. Was ich nicht klären konnte ist, wo sich in diesem Eck der Insel der Garten befindet. Schließlich hat “Kypos” ja die Bedeutung “Garten”.
Nachdem das im Niedergang befindliche byzantinische Reich die Gewässer nicht mehr kontrollieren konnte und Piraten die Küstendörfer immer wieder plünderten, zogen sich die Inselbewohner in die Berge zurück. Auf der Felsnase (im Bild links) sind Reste des byzantinischen Kastros (siehe Gattilusio) zu besuchen. Hier oben hatten später auch die Osmanen ihre Inselverwaltung. Auch heute noch ist Chora die ofizielle Inselhauptstadt. Trotz der nur 2000 - 3000 Inselbewohner gibt es hier zwei Mittelschulen. Heute ziehen aber wieder immer mehr Bewohner an die Küste, um die besseren wirtschaftlichen Chancen zu nutzen.
Gut dass mein Wohnort Kamariotissa an der Westseite von Samothraki liegt, denn damit sind herrliche Sonnenuntergänge garantiert.
Und die kann man so …
… oder auch auf diese Art genießen.
Ach ja, von der Tierwelt wollte ich noch kurz erzählen. Ein Art ist wirklich überall anzutreffen, vom Strand bis zu den Berggipfeln. Mit Ziegen ist die Insel wesentlich dichter bevölkert als mit Menschen, die Mehrzahl davon wildlebend. Für den Baumbewuchs hat das entscheidende Nachteile, für den Wanderer ist das fehlende Unterholz/Strauchwerk jedoch angenehm.
Lektion für Griechenlandreisende: Parke niemals unter einem Baum, auch wenn es dort schattiger wäre.
Oft gesehen habe ich verschiedenste Eidechsen, doch sind sie sehr scheu und posieren selten für Fotos. Von ihren natürlichen Feinden, den Schlangen, ist mir keine einzige begegnet. Eine Gottesanbeterin am Knie hat mich ordentlich erschreckt. Bei genauerer Betrachtung sind es aber eigentlich ganz interessante Tiere - und vor Allem harmlos. Manche der Tier Samothrakis kann man essen. Bekannt sind die gegrillten Ziegen vom Dorf Prophitis Ilias. Aber auch die Tintenfische schmecken, wenn richtig zubereitet.
Es war so schön hier, dass ich den Plan verwarf, nach einer Woche auf die Insel Thasos weiterzureisen. Nicht zuletzt wegen der herzlichen Bekanntschaften wäre ich gerne noch länger geblieben. Aber zwei Wochen sind (allzu) schnell vorbei, und so heißt es doch Abschied nehmen. Ein Bild noch von der Fähre Saos II bei der Einfahrt in den Hafen Kamariotissas.
Und schon verlässt Saos II den kleinen Hafen vom Kamariotissa. Adio, Samothraki! Bis zum nächsten Mal!
In Alexandroupolis bleibt noch Zeit, das Museum der griechisch-orthodoxen Kirche zu besuchen. Im Reiseführer steht, das es zu den bedeutendsten seiner Art gehört. Nachdem die griechischen Bewohner 1922 das Gebiet der Türkei verlassen mussten, brachten die Flüchtlinge viele wertvolle Gegenstände aus ihren Kirchen mit, die hier nun zu bewundern sind. In der tollen Ausstellung sind unter anderem die Prachtstücke des ehemaligen Patriarchensitzes von Ailos ausgestellt, aber auch Bücher, Ikonen und Gewänder aus byzantinischer Zeit. Zugegeben, viel verstehe ich von der Kunst der Ostkirche nicht, aber beeindruckend ist die Schau trotzdem. Und ein guter Grund, aus Büchern doch etwas Wissen dazu zu erwerben.
Von Alexandroupolis geht's zurück nach Kavala. Vor dem Heimflug darf ich in der (für mich unerwartet) schönen Hafenstadt noch zwei Nächte verbringen, bevor zeitig am Morgen der Heimflug ist. Auf einer Halbinsel vor dem Hafen liegt die Altstadt mit dem darüberliegenden Kastro. Links hinten ist auch das von den Römern erbaute Aquädukt sichtbar, dass die Stadt mit Wasser aus den Bergen versorgte. Vom Hotelzimmer direkt am Hafen habe ich einen guten Ausblick auf die Altstadt. Und ganz wichtig: gute Fischlokale sind auch nicht weit.
In Kavala ist auch das Geburtshaus von Muhammad Ali Pascha. Hier kam 1769 der spätere Khedive (Vizekönig) von Ägypten zu Welt. Nachdem er mit seinen Truppen 1831 Akkon und Damaskus eingenommen hatte, konnte er die osmanischen Truppen bei Homs besiegen. Erst 1840 musst er sich unter dem Druck der europäischen Mächte wieder nach Ägypten zurückziehen. Die von ihm begründete Dynastie regierte Ägyten bis 1952.
Auch wenn der letzte Urlaubstag sich regnerisch präsentiert, will ich ihn noch nützen. Am Programm steht ein Ausflug nach Philippi, der antiken Großstadt. Brachte der Bau der Via Egnatia (Verbindungsstrasse von der gr. Westküste nach Konstantinopel) schon einen Aufschwung, so fand nach dem Sieg von Octavian (später Kaiser Augustus) und Marcus Antonius gegen die beiden Republikaner Brutus und Cassius (die Mörder Iulius Cäsars) in der Schlacht von Philippi 42 v. Chr. eine Blüte statt. Die Jahre 49/50 verbrachte der Apostel Paulus in der Stadt (vgl. Apostelgeschichte 16, 11-40). Seine Briefe an die Philliper werden auch heute noch von den Christen gelesen. Den ersten Fuß auf europäischen Boden setzte der Apostel Paulus übrigens auf Samothraki, als er auf seiner Reise nach Phillipi von Troia kommend dort in Paleopolis nächtigte.
Ein letzter Abend in Kavala bleibt mir noch, und schon ist auch dieser so schöne Urlaub nur Erinnerung.
Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können. - Jean Paul